Sie sind fancy und das Bier wird in ihnen nicht schal (im Vergleich zu Keramik, wo es immer Schal wird...): Glasbecher sind in der Wikinger-Living History beliebt. Einige der auf Veranstaltungen am häufigsten anzutreffenden Repliken haben ihren Ursprung in den Birka-Gräbern und passen ausgezeichnet zum "wohlhabenden Krieger" mit seidenen Bändern, baltischen Gürtelbeschlägen und weiten Pluderhosen. Dadurch, dass die Glasbecher heutzutage oft deutlich günstiger sind als handgeformte Keramik (und dadurch, dass man gerne extra schick ist, wenn man die Chance dazu hat), sind sie auf Veranstaltungen ein häufiger Anblick geworden.
Eine Präsentation zu diesem Artikel ist verfügbar: hier.
Was ist die archäologische Realität hinter diesen Gegenständen? Wie sehen die Funde aus Birka tatsächlich aus, wie viele gibt es und welcher Typ Glasbecher wäre "damals" ein üblicher Anblick gewesen? Wurden sie auf der Insel produziert und falls nicht, wo dann? Wer waren die Menschen, die sie als Geschenk für das Leben nach dem Tode erhielten?
Holger Arbmann - der Mann, dem wir die Fundkataloge "Birka I-1" und "Birka I-2" verdanken - schrieb seine These über die Handelskontakte zwischen Schweden und dem Karolingischen Reich im 9. Jahrhundert. Darin untersuchte er auch die Glasbecher aus den Birkagräbern und ordnete sie in sechs Kategorien A-F. Fast ein halbes Jahrhundert später re-evaluierte Greta Arwidsson die Glasfunde der Birkagräber und schlussfolgerte, dass es besser neun Kategorien (Typ 1-9) geben solle (Arwidsson 1984, pp 203-212). Auf ihre Arbeit, publiziert in Birka II-1: Systematische Analysen der Gräberfunde, werde ich mich in den folgenden Absätzen hauptsächlich beziehen.
Die folgenden Beschreibungen stammen alle aus der oben erwähnten Arbeit von Greta Arwidsson. Ich gebe jedoch nur jene Informationen wieder, die zum Erreichen des folgenden Zieles notwendig scheinen: Einen Eindruck zu verschaffen, wie die Glasbecher aus den Birkagräbern aussahen. Die Bilder, welcher aus der online-Sammlung des SHM kommen, sollten die Beschreibungen ausreichend ergänzen, sodass die allgemeine Form, Größe und Farbe einigermaßen deutlich werden sollte.
Die Glasbecher dieser Kategorie tragen aufgrund ihrer Form den Titel "Trichterbecher" - nicht zu verwechseln mit den Trichterbechern aus Keramik, welche einer ganzen Kultur ihren Namen gaben; diese datieren nämlich in die Steinzeit.
Die Birka-Trichterbecher bestanden aus blass-grünlichem oder -bläulichem Glas. Sie konnten ganz schlicht oder aber mit dicken Glasfäden derselben Farbe dekoriert sein. Manchmal war die Mündung in einem kontrastierendem Dunkelblau oder Dunkelgrün gefärbt.
Dieser Typ trägt den Namen "bauchige Becher mit aufgelegten, einfachen Fäden". Er ist aus monochromatischem Glas geformt und mit unregelmäßigen bogen-, oder netzförmigen Glasfäden verziert. Um den Halsbereich sind einige horizontale, dünnere Fäden aufgelegt.
"Bauchige Becher mit umsponnenen Fäden (=Reticellafäden)". Bei Reticellafäden handelt es sich um dickere Glasfäden, welche mit dünnerem Glas in kontrastierender Farbe umsponnen sind.
Diese Becher können zwei- oder mehrfarbig sein. Sie haben sowohl horizontal aufgelegte, dünne Fäden als auch Reticellafäden, welche senkrecht verlaufen und sich auf der Unterseite treffen. Der Haupt-Glaskörper besteht aus blass-grünlichem oder -bläulichen Farben, die horizontalen Fäden sind undurchsichtig-gelb. Die Bechermündung ist mit blauem oder grünem Glas verziert und etwas dicker als der Rest. Die Dicke des Bechers beträgt ungefähr 1mm.
Typ 4 wird durch einen einzigen Fund aus dem reichen Grab Bj 644 definiert. Dieser Glasbecher ist vergleichsweise klein, s-förmig im Profil und beinahe farblos-transparent; nur die Mündung weist eine breite dunkel-purpurne Färbung auf. Es gibt wohl Fragmente aus einem weiteren Grab, welches zu der gleichen Kategorie gehören könnte, dann aber anders gefärbt gewesen wäre.
Dieser Glasbechertyp scheint uns unter den Wikis der beliebteste zu sein, wohl, weil er zeimlich groß und bauchig ist und entsprechend viel Freibier fasst. Das Original besteht aus dunkelgrünem Glas. Die untere Hälfte und der Boden sind mit knopfartigen "Knubbeln" oder "Blasen" dekoriert, die obere Hälfte ist glatt und etwas dicker als der Rest. Der Becher ist etwa 0.5-1mm dick.
Dieses Trinkglas könnte solche Darsteller, die mit ihm nicht vertraut sind, vielleicht etwas irritieren, weil es so... nunja, gewöhnlich aussieht. Es ist recht klein (vielleicht 6cm hoch), hat ein leicht konvexes Profil und ist fast komplett farblos und transparent. Ähnliche Gläser findet man in jedem modernen Einrichtungshaus... Das Original war jedoch mit 0.5-1mm ziemlich dünn.
Glasbecher dieses Types weisen ein gerades Profil auf, sind aus farblosem Material gefertigt und relativ dick (3-3.5mm). Besonders interessant sind die ins Glas geschiffenen Dekorationen, welche an Vögel und Granatäpfel oder Kiefernzapfen erinnern. Auf dem Körper des Vogels ist ein wenig poröses, grünes Glas erhalten.
Dieser Becher ist uns nur in Form von verkohlten Fragmenten erhalten. Er bestand wohl ursprünglich aus blassgrünem Glas und ist nur 1mm dick. Auf der oberen Hälfte befinden sich drei horizontale Rillen, welche Spuren einer gelb-weißen Substanz erhalten (Glas?). Der Form der Fragmente zufolge könnte es sich um einen weiteren Typ von Trichterbecher handeln, allerdings mit dickerer Mündung.
Weniger als ein Viertel des Bodenstückes war erhalten, als Greta Arwidsson das Fragment als eigenen Typus identifizierte. In dem meergrünen Glas befindet sich eine runde, weiße Scheibe aus unbekanntem Material. Der Übergang zur Becherwand wäre wohl sehr sanft gewesen. Der Durchmesser des Boden wurde auf ca. 6cm bestimmt.
In Greta Arwidssons Artikel finden wir Dickenangaben zu 5 der neun Typen:
Um ein Gefühl dafür zu vermitteln, wie dick oder dünn das eigentlich ist, habe ich die Dicke von vier verschiedenen Trinkgläsern aus unserem Haushalt gemessen:
Es wird deutlich, dass die Trinkgläser der Wikingerzeit nur halb so dick wie unsere modernen Gläser sein konnten, oder sogar noch dünner. Nehmt euch nun einen Moment Zeit und schnappt euch das nächstbeste Pint (oder irgendein anderes Glas, was meiner kleinen Auswahl einigermaßen nahe kommt) und staunt darüber, wie es die Wikinger vielleicht geschafft haben, dass die Gläser nicht bei jeder Gelegenheit zu Bruch gingen (oder realisiert, dass eben das doch ständig passiert sein muss - wer weiß...) und wie unglaublich es ist, dass die Gläser die langen Reisen in Schiff und Wagen überlebt haben.
(Wirft man jedoch einen Blick auf einige Scherben aus der Schwarzen Erde, entsteht ein etwas anderer Eindruck, siehe unten.)
Auf Grundlage der Tabelle 24:1 aus Arwidssons Artikel (Arwidsson 1984, S. 206) können folgende Beobachtungen gemacht werden:
Glasbecher oder Scherben ebendieser wurden in 43 Gräbern gefunden, von denen etwa die Hälfte Körpergräber (n=21), die andere Hälfte Brandgräber (n=22) sind. Manche Gräber enthielten mehr als einen Typ Glasbecher. Das Geschlecht der Bestatteten wurde in 32 Gräbern bestimmt (meines Wissens nach ohne die Nutzung genetischer Methoden), das Geschlechterverhältnis liegt bei 1:4 (m:w). Bei drei dieser Gräber handelt es sich um Doppelgräber mit sowohl Mann als auch Frau (Bj 644, 735 und 750). Für die übrigen zehn Gräber liegt mir keine Geschlechterbestimmung vor.
Typ 1 war der bei Weitem häufigste Typ; in 24 Gräbern wurden komplette Becher oder Fragmente dieses Types gefunden. Typ 2 war mit acht Gräbern am zweithäufigsten. In drei Gräbern befanden sich Gläser vom Typ 3, in zwei Gräbern Typ 4 und die Typen 5-9 wurden in jeweils einem Grab gefunden. In neun Gräbern befanden sich Glasbecher, die keinem der Typen zugeordnet werden konnten.
Hjalmar Stolpes Untersuchungen in der Siedlungsfläche, der sogenannten "Schwarzen Erde", brachten ebenfalls einige Glasbecherfragmente hervor. Im Katalog von 2018 befinden sich 14 Einträge im Kapitel "Kärl" ("Gefäße") (Gräslund et.a. 2018, S. 327). Fünf dieser Fragmente gehörten vermutlich zu Trichterbechern (Typ 1). Drei Fragmente weisen ein wenig Reticella-Dekoration auf, zwei sind mit Glasfäden derselben Farbe wie der Hauptkörper dekoriert, aber ohne zusätziche Kontrastfarbe (also kein Reticellafaden). Die übrigen vier zeigen keine solche Dekoration und/oder wurden nicht als Trichterbecher kategorisiert. Folgende Farben kamen bei diesen Fundstücken vor: Hellblau, Marineblau, Grün-Blau, Blau-Grün, Blau-Grün plus Weiß, leicht grün, grünlich und Grau-Braun.
Um Informationen zu weiteren Glasscherben aus der Schwarzen Erde zu bekommen, habe ich ein wenig Recherche mithilfe der Online-Datenbank des SHM betrieben. Solche Einträge, die eine andere Fundinterpretation als "Glas(becher)-Scherbe" aufwiesen (wie zum Beispiel "flaska?", also "Flasche?") habe ich nicht in meine Liste aufgenommen, außerdem solche Einträge mit unsicherer Datierung. Zudem notierte ich lediglich Informationen zu Farbe, Dicke, Dekoration und solcherlei weiterer Informationen, die ich für interessant hielt. Mein Ziel war, einen groben Eindruck vom Glasmaterial aus der Schwarzen Erde zu gewinnen, weshalb ich auch nicht alle Einträge durchsuchte (denn das waren mehrere hundert), sondern bloß einen Teil davon.
Weder bin ich Archäologe, noch schreibe ich mir sonst entsprechende Kompetenzen zu, um die einzelnen Glasscherben irgendwelchen Typen zuzuordnen (nicht zuletzt, da kaum Bilder der Scherben zur Verfügung stehen). Zu der einen oder anderen Vermutung auf Grundlage jener Informationen, die ich fand, ließ ich mich dennoch hinreißen.
In den Fundbeschreibungen standen manchmal Anmerkungen wie "Typ e". Da es aus meiner Sicht nicht deutlich war, ob es sich dabei um eine Typeneinteilung von Glasbechern (vielleicht nach Arbmanns System) oder Typen irgendeiner anderen Kategorie handelte, habe ich derlei Anmerkungen ignoriert.
Ich machte also folgende Beobachtungen:
Dicke - Von 106 Datenbank-Einträgen, die ich mir genauer angesehen habe, enthielten 100 für mich brauchbare Informationen zur Dicke der Glasfragmente. Der Durchschnitt lag bei etwa 2.05mm (Maximum: 5.71, Minimum: 0.46). Da ein Durchschnittswert stark durch eine besonders dicke oder dünne Scherbe beeinflusst werden kann, habe ich mir außerdem den Median angeschaut, welcher bei 1.74mm lag.
Farbe - Die meisten Scherben waren grün gefärbt (43.4%), gefolgt von ungefärbten (15.09%), gelben (13.21%), braunen (6.6%) und blauen Scherben (4.72%). Zudem war jeweils eine Scherbe (oder 0.94%) dunkelgrün, klarblau, klargrün, olivgrün, schwarz, und weiß. In 11.32% der von mir geprüften Einträge war keine Farbe erwähnt bzw. die Farbe an der Scherbe nicht klar identifiziert.
Dekorationen - In drei Fällen enthielt die Beschreibung Anmerkungen wie "Blasendekor?" oder ähnliches, was Assoziationen zu Arwidssons Typ 5 weckte. In einem Fall wurden aufgelegte Dekorationen in derselben Farbe des Haupt-Glaskörpers erwähnt (so wie in Arwidssons Typ 2?). In zwei Fällen befand sich auf den Fragmenten etwas Relief-Dekoration.
Manchmal wurde in der Datenbank der Gefäßtyp erwähnt, zu dem die entsprechende Scherbe wohl einst gehörte. Beim Überfliegen aller Glasscherben-Einträge aus der Schwarzen Erde (nicht bloß meiner kleinen Detail-Auswahl) fand ich 14 Einträge, die als "trattbägare", also Trichterbecher, identifiziert worden waren; 11 Einträge enthielten die Anmerkung "Reticella-Becher" (Typ 3?) und einer "halsbägare", also "Halsbecher"(?).
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ein grober Blick über die Glasscherben-Funde aus der Schwarzen Erde ein Vorkommen verschiedener Glasbechertypen auf der Siedlungsfläche von Birka nahelegt. Die Dicke des Glases variierte und war nicht immer so gering wie die Typenbeschreibungen suggerieren. Manche von Arwidssons Typen lassen sich im Material erkennen. Unter den Farben scheinen Grün, Blau, Gelb und ungefärbtes Glas zu dominieren.
Gehen wir zurück zu den Gräbern. Wie oben bereits erwähnt, waren etwa die Hälfte der Gräber Körpergräber, die andere Hälfte Brandgräber. Von den 21 Körpergräbern waren 15 Kammergräber. Die meisten Glasbecher wurden in "Frauengräbern" gefunden (n=28), 7 kommen aus "Männergräbern" und zehn aus Gräbern ohne Geschlechterbestimmung.
Der Gedanke liegt nahe, ein derart kostbares Material nur in besonders reich ausgestatteten Gräbern von Menschen der höheren sozialen Schichten aufzufinden. Jedoch zeigte eine Studie zur statistischen Analyse der Grabbeigaben aus Birka, dass Gläser nicht auf die reichsten Gräber begrenzt waren. Stattdessen kamen sie auch im unteren Bereich des Spektrums "wohlhabender Gräber" vor (Steuer 1969, S. 213 ff., zitiert in Gräslund 1980).
Um einen Eindruck von der Grabbeigaben-Verteilung der in Arwidssons Artikel von 1984 gelisteten Gräber (Birka II-1, S. 206, Tabelle 24:1) zu bekommen, schaute ich zunächst, wie viele Beigaben in jenen Gräbern gemäß der Datenbank des SHM enthalten waren. Das durchschnittliche Grab mit Glasbecher enthielt 24.47 Beigaben. Das Minimum waren zwei, das Maximum 157 Beigaben. Der Median lag bei 17, d.h. die meisten Gräber enthielten um die 17 Grabbeigaben. Alle Gräber mit überdurchschnittlich vielen Beigaben waren Körpergräber.
Die Anzahl eingetragener Grabbeigaben muss nicht unbedingt der tatsächlichen Anzahl Beigaben entsprechen. Es mag beispielsweise drei separate Einträge für einen einzigen Schild geben, wenn Buckel, Griffbeschläge und Randbeschläge alle einzeln aufgeführt sind. Nichtsdestotrotz kann man sicherlich davon ausgehen, dass eine höhere Anzahl eingetragener Beigaben doch auf eine höhere Anzahl tatsächlicher Beigaben hindeutet und wir es in einem solchen Fall mit einem "reicheren" Grab zu tun haben.
Die folgenden Beigaben-Kategorien waren für mich von besonderem Interesse: Gegenstände assoziiert mit Handel (d.h. Münzen, die nicht als Anhänger benutzt wurden, Waagen, Gewichte), Gegenstände assoziiert mit Krieg (Waffen, Schilde), Pferde und entsprechendes Equipment sowie Gegenstände assoziiert mit professsionellem Handwerk (Textilhandwerk eingeschlossen).
Ein einzelnes Nadelhaus wies meines Erachtens nach nicht auf professionelles Textilhandwerk hin, genauso wenig machte eine einzelne Münze ein Grab zu dem eines "Händlers". Ich beschloss, dass für eine entsprechende Einordnung mindestens drei Gegenstände einer Kategorie vorhanden sein mussten, wenn die Gegenstände alleine zu allgemein im Charakter wären (jeder braucht hier und da mal eine Schere oder Nadel), oder aber ein spezialisierter Gegenstand (so wie eine Spindel, Gewichte oder ein Schwert), um ein Grab einer der oben genannten Kategorien zuzuordnen.
Es stellte sich heraus, dass nicht eines der Brandgräber einer Kategorie zugeordnet werden konnte. Dies lag primär am allgemeinen Mangel an Grabbeigaben; die Beigaben, die vorhanden waren, bestanden vor allem aus Schmuck, wie z.B. Perlen. Körpergräber, die keine Kammergräber waren, enthielten ebenfalls nicht genug Material. Bei den Kammergräbern verhielt es sich so, dass Gegenstände aus mehreren Kategorien vorkamen, d.h. ein Grab konnte sowohl Gewichte und eine Waage als auch Waffen und Handwerks-Gegenstände enthalten.
Mein Eindruck ist, dass es kein Muster bezüglich jener Kategorien und dem Vorhandensein eines Glasbechers gibt. Ein Glasbecher im Grab scheint lediglich eine weitere fancy Grabbeigabe zu sein.
Eine Anmerkung zur Betrachtung von Gräbern - Die Vielzahl und Verschiedenartigkeit wikingerzeitlicher Grabbeigaben ist überwältigend und in vielen Fällen werden wir niemals herausfinden, warum etwas seinen Weg in jemandes Grab fand. Bei Grabbeigaben mag es sich um persönliche Gegenstände gehandelt haben, Dinge, die dem/der Verstorbenen im Leben wichtig waren; sie mögen jedoch auch extra für die Bestattungs-Zeremonie hergestellt worden sein und eher symbolischen Charakter besessen haben. In manchen Fällen symbolisierten sie vielleicht die Rolle in der Gesellschaft, die der/die Tote innehielt - oder gehalten hätte, hätte er/sie ein entprechendes Alter erreicht. Ein Beispiel stellt der Fall eines Jungen dar, der im heutigen Ihre-Feld auf Gotland mit einer kompletten Kriegerausrüstung bestattet wurde, wobei ein Teil der Waffen viel zu groß war, als dass er sie in seinem kurzen Leben jemals hätte nutzen können, sowie mit einem Hund und Pferd (Stenberger 1942). Statt eines Abbildes der Realität - in diesem Fall ein "Kindskrieger" mit zu großen Waffen - mögen Grabbeigaben eine soziale Rolle darstellen, mit welcher vor allem auch die Hinterbliebenen assoziiert werden sollten (Toplak 2018, p. 72) oder in der sie ihr Kind später gerne gesehen hätten.
Das Thema ist sehr komplex, doch wir sollten diese Komplexität im Hinterkopf behalten, wenn wir Menschen aus der Vergangenheit auf Grundlage ihrer Grabbeigaben gewisse soziale Rollen zuschreiben.
Für 26 der "Glasbecher-Gräber" konnte ich Datierungen finden. Dazu nutzte ich ggf. vorhande Schalenbroschen (Jansson 1984), Kämme (Ambrosiani 1984) sowie die Angaben aus Birka III, S. 176-179 (Geijer 1938).
13 Gräber datierten in das 9. Jahrhundert, zwei in die Übergangsperiode (Ende 9./Anfang 10. Jahrhundert) und 11 ins 10. Jahrhundert. Die meisten Trichterbecher datieren in die Frühe Periode bzw. 9. Jahrhundert, zwei ins 10. Jahrhundert. Die Reticella-Becher (Typ 3), der bauchige, grüne "Blasenbecher" (Typ 5), der farblose, undekorierte Becher (Typ 6) und der fragmentarische Typ 9 datieren ebenfalls ins 9. Jahrhundert. Typ 2 (bauchiger Becher mit aufgelegten Fäden), Typ 4 aus Bj 644 sowie der farblose Becher mit eingeschliffenem Dekor aus Bj 825 datieren in die Späte Periode bzw. 10. Jahrhundert.