Statt gut einen halben Tag zu fahren, um endlich den ehemaligen Handelsplatz am Haddebyer Noor zu erreichen, brauchten wir nun nur etwa eine halbe Stunde, einfach der B77 entlang. Ziemlich angenehm, muss ich zugeben.
Die Corona-Pandemie erwischt uns nicht ganz so hart wie viele andere Menschen; wir besitzen nun ein süßes kleines Häuslein irgendwo in Mittelholstein, welches derzeit mehr Aufmerksamkeit von uns verlangt als wir ihm bieten können. Die Tatsache, dass all die Wiki-Märkte abgesagt werden, ist für uns in dieser neuen Phase unseres Lebens sogar ein Vorteil, da wir die Zeit gut gebrauchen können. Aber dennoch - irgendwie kriegt man "Heimweh", sehnt sich nach kühlen Nächten mit einem kühlen Bier, eingemuckelt in Leinen und kuscheliger Wolle neben einem Lagerfeuerchen sitzend und die gute Gesellschaft genießend.
Der Frühjahrsmarkt Haithabu ist dabei zu einer unserer Lieblingen geworden. Nicht zuletzt deshalb fühlte es sich irgendwie falsch an, zu Ostern nicht die Reise zu diesem Ort anzutreten. Und da es schließlich noch erlaubt ist, draußen frische Luft zu schnappen, solange man sich von Fremden fern hält (was uns unsere Muttis ohnehin vor laanger Zeit beigebracht haben), sahen wir keinen Grund, zu Hause zu bleiben.
Ein Blick von außen
Beim ersten Mal, als wir den Frühjahrsmarkt Haithabu besuchten, damals lediglich als Besucher, nahmen wir uns nicht nur je einen Tag Zeit für Markt und Museum. Wir gingen außerdem den Wanderweg rund um das Noor. Eine Empfehlung für jeden, der dies noch nicht gemacht hat. Es ist ein relativ langer, aber schöner Wanderweg durch Schilffelder und frische Frühlings-grüne Wälder. Dieses Jahr sind wir den Weg wieder gegangen, jedoch aus der anderen Richtig als beim letzten Mal. Unter den Eichen auf dem Halbkreiswall, mit gutem Blick auf das rekonstruierte Dorf, machten wir unsere Pause, füllten die Grubenbrände mit Bier, beobachteten die ersten Schwalben und fragten uns, wo auf der nun leeren Lagerwiese wohl unser Zelt gestanden hätte.
Wir dachten auch nach über den Zustand, in dem sich das Dorf derzeit befindet. Der Steg schien repariert zu sein - wenngleich das auch in einer Weise hätte geschehen können, die nicht so offensichtlich modern ist. Das war uns schon im Vorjahr aufgefallen. Auch sind die Bohlenwege im Dorf wieder fit gemacht, eine gute Sache. Ob man jedoch begonnen hat, Reparaturen an den Häusern selbst vorzunehmen, war von Weitem nicht erkennbar (Museum und Dorf sind ja geschlossen). Aus der Entfernung sah das Dorf irgendwie - nun, schäbig aus. An manchen Stellen scheinen die Dachbalken etwas einzusacken, das Reet hat definitiv auch jene Aufmerksamkeit dringend nötig, die man ihm über die Jahrzehnte immer wieder hätte zukommen lassen sollen
Sicherlich hätten die Wikinger das besser gekonnt. Sicherlich könnte das Museum es besser, besonders jetzt, wo Haithabu Weltkulturerbe ist.
Sicherlich könnten viele Darsteller es besser. Würden es vielleicht sogar, wenn man sie freundlich fragt.
Wie viele Handwerker, in Eigenausbildung oder im Beruf, gibt es unter diesen Darstellern, die diesem Ort Leben einhauchen, diesem Ort, der sonst bloß so aussähe wie ein alter, verlassener Hof, an dem der Zahn der Zeit nagt? Wie viele dieser Darsteller würden gerne sofort ihr Können, ihre Muskelkraft und Energie bereitstellen, um diesen Ort am Leben zu erhalten? Klar, wir reden von Amateuren, die haben nicht das Wissen, um eine vernünftige archäologische Rekonstruktion zu schaffen. Aber braucht man einen Archäologen, um Planken mit einer Axt zu behauen? Um Wolle und Moos in die Ritzen von Hauswänden zu stopfen, damit diese winddicht bleiben? Sollte die Ausrede für den langsamen Fortschritt in der Pflege des Dorfes in einem Mangel qualifizierter Arbeitskraft und einer generellen Skepsis den Darstellern gegenüber begründet liegen (wir hörten einst Gerüchte, es sei so), so ist man blind gegenüber den Möglichkeiten.
Als wir diese Ostern Haithabu wieder verließen, stießen wir auf ein neues fancy Info-Schild, welches in drei Sprachen erklärte, warum dieses UNESCO Weltkulturerbe ein so wichtiger und besonderer Ort ist.
Ja, es ist wichtig. Bitte, haltet es besonders.