Über Ostern nutzten Ása und Víl das lange Wochenende und “pilgerten” zu Deutschlands großer Wikinger-Stätte: Haithabu. An diesem Wochenende findet dort immer der Frühlingsmarkt auf dem Gelände der ehemaligen Handelsmetropole statt. Ein paar Häuser sind nach wikingerzeitlichem Vorbild nachgebaut worden und während der Veranstaltung bewohnt, ein Steg ragt einige Meter ins Haddebyer Noor, wo früher reihenweise Handelsschiffe angetaut gewesen wären und auf der Wiese östlich der Häuser waren weitere Lager und Marktstände aufgebaut. Hier traf man ein kleines “Who is who” der deutschsprachigen Frühmittelater-Reenactmentszene an, fand reichlich Wiedersehen, Waren- und Wortaustauschmöglichkeit bei ausgesprochen entspannter und ruhiger Atmosphäre in malerisch-schöner Landschaft, wie sie nur an wenigen solchen Veranstaltungen genossen werden kann.
Die Anreise am Karfreitag war deutlich länger als geplant, da die A2 besonder stauträchtig war und das begleitende Regenwetter ein schnelles Vorankommen schwierig gestaltete. Wir kamen also später als geplant in Fahrdorf (neben Haddeby) an und bezogen nach einem sehr reichhaltigen Abendessen bereits um kurz nach 20 Uhr unser Hotelbett. Am Samstag schmissen wir uns nach dem Frühstück in Gewandung und gegen 11 Uhr trafen wir an jenem geschichtsträchtigen Ort ein, der uns sodann 1100 Jahre in die Vergangenheit reisen ließ (man muss die grell gekleideten Touries eben ausblenden). Schon der erste Eindruck der nachgebauten Häuser mit den vielen Händlern und Handwerkern war ausgesprochen vielversprechend. Am ersten der Häuser quatschten wir uns bereits mit einer diese Woche darin residierenden Dame für eine ganze Weile fest. Dieses Muster sollte sich ab dann wiederholen. Viele sehr interessante neue Bekanntschaften, von Süddeutschland bis Schweden, ließen sich knüpfen. Fachsimpelei zu Textil-Schnittmustern, Grundsatzdiskussionen zur “Szene an sich und ihre Werte”, Zusehen und Austausch bei der Korbflechterin und dem Bogenbauer, Tundeln zum Takt einer Maultrommel (eine ausgesprochen spontane und witzige Aktion), alles war dabei. Schnell stand fest: dieser Ort sollte nächstes Jahr von uns mit belagert werden.
Da “plötzlich” schon wieder bald drei Stunden vergangen waren, gönnten wir uns zwischendurch lecker Fladenbrot mit Hirtenkäse und Lauch, welche wir an “dem einen” ins Haddebyer Noor reichenden Steg genossen. Danach war geplant, den Zelt-Markt-Teil zu besuchen, doch trafen wir auf weitere Bekannte und verquatschten uns ein weiteres Mal… So ging es weiter, bis wir kurz vor Marktschluss noch immer nicht alle Stände und Lager abgeklappert hatten. Zu viel gab es zu sehen, zu viel auszutauschen, viel tolles Neues zu entdecken. Natürlich trieben wir fleißig Handel, so dass die Menge an Hacksilber schnell dezimiert wurde, dafür aber einiges an neuer Lagerausstattung erworben werden konnte: Während Ása sich eine schmucke Brettchenborte, eine ausgezeichnete neue Spindel mit Spinnwirtel aus Ton, einen Spinnwirtel aus Horn und eine Nadeldose aus Knochen (inklusive Knochennadel) zulegte, erwarb Víl einen Bartaxt-Kopf, ein Sägeblatt, einen neuen Gürtel mit schicker Messingschnalle und einen Keramik-Kochtopf.
Den in jeder Hinsicht erfolgreichen Tag schlossen wir zusammen mit einem anderen Wiki-Paar, welches im gleichen Hotel untergebracht war, im nahe gelegenen Restaurant bei einem weiteren deftigen Abendessen ab. Hätten wir am nächsten Tag bereits die zurückfahren müssen, wäre die lange Reise dennoch überaus lohnenswert gewesen.
Jedoch sollte der Sonntag unser Museumstag werden. eigentlich war geplant, das Archäologische Landesmuseum Schloss Gottdorf in Schlesweig zu besuchen. Da wir am Vortag aber keine Zeit mehr für einen Besuch des Wikingermuseums in Haithabu hatten, welches, so wurde uns gesagt, vielleicht 1.5 Stunden in Anspruch nehme, wollten wir diesen erst nachholen. So verbrachten wir den Vormittag mit der Betrachtung von Funden, die wir kurz zuvor noch als 2d-Zeichnungen in einschlägiger Literatur kennen gelernt hatten. Schnell merkten wir, dass die Zeiten, in denen zwei Stunden für ein solches Museum ausreichten, definitiv vorbei sind. Kennt man einmal den geschichtlichen Hintergrund der Exponate, kommt man kaum noch voran, achtet auf Details, vergleicht, liest, fotografiert… und nach dreieinhalb Stunden waren wir nur deswegen “schon” durch, weil keinerlei Textilfunde ausgestellt waren (Was zur Hölle?!). Allerdings war es für einen Besuch des Landesmuseums dann schon zu spät, somit entschlossen wir uns zu einem Rundspatziergang über den Verteidigungswall um Haithabu und weiter um das Haddebyer Noor, um die besagte schöne Landschaft zu genießen und mehr Frischluft abzukriegen. Die damit einsetzende Unterzuckerung glichen wir alsbald mit Kaffee und ausgesprochen leckerem Apfelkuchen in “Odins Haddeby” aus.