Die ersten beiden Augustwochen verbrachten Víl und Ása bei Víls Eltern im einst nicht von den Römern besetzten Teil Galliens, heute die Bretagne genannt. Neben dem Konsum von viel leckerem Essen und Wein sowie dem gelegentlichen Besuch der nahe gelegenen Atlantikküste hatten wir uns eine große Aufgabe vorgenommen: Die Verarbeitung von einigen Kilogramm Wolle, welche dieses Frühjahr turnusgemäß bei “Beppi und den Ouessant-Schafen” angefallen war. “Verarbeitung” sollte in während dieser beiden Wochen heißen: Schmutzige Wolle waschen, nach Qualität sortieren, Kämmen, Spinnen, Zwirnen, Beizen und Färben. Die große Frage lautete nun: Wieviel würden wir davon schaffen, wenn wir jeden Tag 2-4 Stunden damit verbringen?
Etwa die Hälfte der Wolle hatte Víls Mutter bereits vor Wochen in Regenwasser eingelegt, damit der Kläranlagen-Effekt den ganzen Dreck “verdauen” konnte. Entsprechend "wohl"riechend war der erste Verarbeitungsschritt, der da beinhaltete, die eingelegte Wolle so lange mit klarem Regenwasser auszuspülen, bis keine nennenswerte Trübung mehr übrig blieb. Das beim Ausspülen übriggebliebene Schmutzwasser gibt einen hervorragenden Pflanzendünger ab und so durfte sich der Garten über eine ordentliche Nährstoffzufuhr freuen.
Nach der kalten Wäsche folgte noch eine mit heißem Wasser (ca. 60°) und ein wenig Spülmittel, um einen Teil des Lanolins und ähnlich wenig wasserlöslicher Substanzen auszuwaschen. Da Wolle sehr schnell filzt, sobald Wärme, Wasser und Bewegung zusammenkommen, durfte die nun eingelegte Wolle nicht groß bewegt werden, sondern sollte nur rund 10 Minuten einweichen. Nach einem weiteren kalten Spülgang wurde die nun saubere und wohlriechende Wolle mit einer Salatschleuder geschleudert und dann im Schatten zum durchtrocknen ausgelegt. Das bretonische Sommerwetter (Wind!) unterstützte uns dabei wohlwollend. So schafften wir insgesamt etwa 300-500g saubere Wolle pro Tag (besagte 3-4 Stunden Arbeit). Das reicht vielleicht gerade einmal für ein paar Socken oder Handschuhe.
Nachdem die erste Ladung weißer Wolle sauber und trocken war, machten wir uns parallel an die weitere Verarbeitung: Víl sortiere die Fasern grob nach Haar und Wolle auseinander, während Ása die Haare mit der Handspindel verspann. Das Ziel war es, zu schauen, wie unterschiedlich sich nur mit Haaren bzw. nur mit Wolle gesponnene Garne verhalten. Man darf davon ausgehen, dass auch zur Wikingerzeit die langen, leicht zu verspinnenen, aber nicht wärmenden Haare zu Kettfäden verarbeitet wurden (diese müssen beim Weben den Zug der Gewichte aufnehmen), während die kürzere, dafür wärmende Wolle als Schussfäden verwendet wurde. Allerdings wird die reine unterwolle aufgrund der kurzen Fasern nur schwierig zu verspinnen sein, also werden auch hier einige lange Haare vonnöten sein.
Immer wenn wieder ein gewisser Vorrat an Kammzügen fertig war, verschanzte Víl sich zwischendurch in seines Vaters Werkstatt, um an einem neuen Paar Wollkämme zu arbeiten. Dieses Paar sollte bedeutend kleiner und feiner werden als das letzte. Die Materialien waren dieses Mal zwei Eichenscheite vom Brennholzstapel und relativ dünner Federstahldraht, da kein Eisendraht in passender Stärke verfügbar war. Damit sind diese Kämme wohl historischer Unsinn, aber werden wohl ihren Zweck erfüllen.
Als die Kämme nach einigen Tagen Arbeit endlich fertiggestellt waren, zeigte sich, dass sie sich in der Tat bedeutend besser als das bestehende Paar dazu eignen, die knubbelige “Abfall”-Wolle aus dem ersten Kämmdurchgang weiter zu verarbeiten. Etwas anderes wäre mit den bedeutend feineren und enger stehenden Zinken ja auch nicht zu erwarten. Andererseits ist die Menge an Wolle, die man pro Zeiteinheit damit gekämmt bekommt, um ein vielfaches geringer.
Erst gegen Mitte der zweiten Urlaubswoche war Ása mit dem Spinnen so weit, dass zwei Knäuel mit je ca. 50g Garn verzwirnt werden konnten. Auch das Verzwirnen nahm mit der Handspindel rund einen Tag in Anspruch. Danach waren wir aber so weit, dass wir mit dem Färbeprojekt loslegen konnten. Víls Eltern hatten von der letzten Brennholzlieferung im Winter einen großen Müllsack voll mit bereits grob zerkleinerter Eichenrinde aufbewahrt. Diese musste noch bedeutend weiter zerkleinert werden, hierbei leistete der Gartenhnäcksler, ein Gartensieb und ein Küchensieb gute Dienste. Das im Endergebnis entstandene feine Eigenrindengranulat/-Pulver (ca. 3kg) würde für rund 1.5kg Wolle reichen, vermutlich werden wir aber nicht so viel benötigen und davon etwas auf den nächsten Märkten verkaufen/tauschen können.
Die Färbung von insgesamt 160g Wolle (einen Strang ungefärbtes Garn hatten wir bereits) dann nach folgendem Rezept: Die Wolle mit 40g (24% des Woll-Trockengewichtes) Alaun kurz aufkochen und dann abkühlen lassen, ausspülen. Eichenrinde 1-2 Tage vorher aufkochen, dann ziehen lassen. Am Färbetag absieben, nasse Wolle rein. Wir hatten das Färbebad vorsichtshalber nicht bis zum Siedepunkt erhitzt (Wolle schonen etc.). Färben ~1h. Ausspülen und TADAA!
“Nachentwickeln” des kleineren, ungezwirnten Stranges mit ein paar rostigen Nägeln (Nägel rein und nochmal heiß werden lassen) hat leider nichts gebracht. Ist da mehr Eisenmaterial nötig? Nichts genaues weiß man nicht. Nächstes Mal probieren wir es nochmal mit der vorbereiteten Essig-Rost-Lösung.
Das Ergebnis war ein wunderschönes Goldbeige, welches die Erwartungen vollkommen erfüllte. Zu Hause sollte dieses Garn zusammen mit den Zwiebelgefärbten Orange- und Brauntönen eine schöne Kombination ergeben.
Am Ende des Urlaubs konnten wir also mit einem 100g-Strang Wollgarn nach Hause fahren. Es ist zwar befriedigend, zu wissen, alles bis dahin selbst gemacht zu haben (vom Schaf bis zum Gewand ist ein langer weg!), aber wenn wir in Zukunft auf Märkten selbstgemachtes, gefärbtes Garn verkaufen möchten, dann muss doch sehr bald ein Spinnrad her. Doch dazu später mehr.